Von Schuldnern und Schuften
Vorwort
Zumindest in der Schweiz scheint der Rechtsbereich „Schuldbetreibung und Konkurs“ für den Ratsuchenden probate, einfache und relativ günstige Rechtsbehelfe bereit zu halten. Für die allermeisten Fälle, in denen ein Gläubiger mit einem renitenten Schuldner zu tun hat, scheinen diese Mittel auch sehr schnell zum gewünschten Ziel – der Einforderung einer fälligen Geldsumme – zu führen.
Was aber, wenn es sich bei einem Schuldner um einen „verschlagenen Säckel“ handelt, der die Schwächen des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts (SchKG) kennt und diese in extenso ausnützt?
Genau, den Schaden erhält der Gläubiger in diesen Fällen (fast) nie ersetzt, Mehrkosten und den Spot hat er jedoch obendrein – letzteren gratis und franko.
Und der Staat mit seinem Machtmonopol über Recht und Gesetz?
Ja, der schützt den Betroffenen – in unserem Fall aber leider den Falschen!
Wer’s nicht glaubt, der lese hier weiter.
Wie werde ich ein erfolgreicher Schuldner?
Eine tierisch ernste Anleitung für effizientes Schuldenmachen
Quelle: Creditmanagement 24/2007 vom 21.11.2007
Creditreform hilft Ihnen üblicherweise, Verluste zu vermeiden. Für einmal aber wollen wir Ihnen zeigen, wie Sie erfolgreich und gewinnbringend Schulden machen! Unser Autor ist ein sehr erfahrener Profi seines Fachs und der Creditreform bestens bekannt aus Bonitätsauskünften und dem Inkasso. Er hat sich freundlicherweise bereit erklärt, uns einige seiner besten Tricks zu verraten. Wir möchten betonen, dass es uns hier nur um die Schuldner geht, die Schuldenmachen quasi zu ihrem Beruf gemacht haben und davon bestens leben. Nicht gemeint sind jene Menschen und Firmen, die ungewollt in die Schulden falle geraten sind, sei es durch fehlende Erfahrung, Schicksalsschläge, Krankheit, Rezession etc.
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Mein Name ist Hans Meier. Manchmal auch Hans P. Meier, Johannes Meier oder gar Jean-Pierre Meyer. Ein überaus praktischer Name und schon das halbe Kapital auf dem Weg zum erfolgreichen Schuldner. Das macht es mir leicht, meine jetzigen oder künftigen Gläubiger zu verwirren. Für mich selbst spielen diese kleinen Unterschiede in meinem Namen ja keine Rolle, die Personenidentifikation beim Betreibungsamt fällt damit aber glatt ins Wasser.
Meine richtige Adresse gebe ich natürlich nur bekannt, wenn es absolut nicht anders geht. Ansonsten korrespondiere ich lieber über meine Postfachadresse. Selbstverständlich befindet sich dieses Postfach in einer grösseren Stadt, in der ich selber nicht wohne. Grössere Dinge wie Möbel und solche Sachen lasse ich mir jeweils postlagernd liefern. Und zum Glück gibt’s ja das Postgeheimnis. Meine Gläubiger erfahren so nie, wo ich wirklich wohne!
Falls doch mal etwas passiert - und man muss ja auch in meiner Branche Vorsorgen und vorausschauend handeln -, so habe ich zum Glück frühzeitig geheiratet, notabene im Stand der Gütertrennung. Alles, was ich mir im Verlauf der Jahre gekauft, äh erschlichen habe, wurde fortlaufend auf meine Frau übertragen. So ist alles bestens dem Zugriff der betreibenden Gläubiger entzogen. Habe ich versehentlich einmal etwas vergessen, kann ich immer noch ein entsprechendes Dokument rückwirkend datieren. Wer will mir schon das Gegenteil beweisen?
Falls man keine geeignete Frau findet, gibt es natürlich noch andere Wege. Sehr bewährt und auch von mir gerne praktiziert, ist die Gründung einer Firma, die alle Drecksarbeit erledigt. So bleibt der eigene Name immer sauber. Am einfachsten ist die Gründung einer GmbH mit dem Minimalkapital. Wer schaut sich schon die Inhaber solcher Firmen an? Bei Aktiengesellschaften kann man als Inhaber bzw. Aktionär sogar ganz in der Anonymität verschwinden. Verwaltungsrat ist in diesen Fällen mein bester Kumpel Ernesto aus meiner Lieblingsbar um die Ecke. Manchmal ist es gar nicht nötig, eine echte Firma zu gründen. Oft reicht schon ein schönes Briefpapier aus. Und das nette daran ist, dass ich aus Hunderten von Druckereien im ganzen Land auswählen kann. Ich muss nur aufpassen, dass ich nicht die gleiche Druckerei zweimal erwische. Schliesslich wär’s ein schlechter Witz für solche Kleinigkeiten wie Briefpapier zu bezahlen.
Bei meinen Auftritten habe ich selbstverständlich zu repräsentieren. Und das nicht zu knapp. Dies macht auch heute immer noch bei vielen Leuten sehr grossen Eindruck und hilft mir ungemein, dass meine Kundschaft mit ihrem Portemonnaie locker umgeht. Der Ferrari, der natürlich auf den Namen meiner Frau oder meines Kumpels Ernesto eingelöst ist, dient mir als ideales Arbeitsinstrument. Kaum zu glauben, zu was icti die Leute dank diesem Prestigeobjekt bewegen kann, beispielsweise wenn ich wieder einmal zur Abwechslung im Bereich der Vermögensverwaltung bzw. -Verschleuderung tätig bin.
Lupenrein ist auch mein Internetauftritt. Überhaupt hat dieses neue Medium meine Möglichkeiten für lukrative Geschäfte, sprich Schulden, um ein Vielfaches erhöht. So habe ich kürzlich eine dritte Firma (die anderen zwei liess ich jeweils nach acht Monaten Konkurs gehen) in diesem Bereich gegründet Ich biete Online Waren zu einem unschlagbaren Preis-/Leistungsverhältnis an. Die Zahlungsbedingungen sind so gewählt, dass die Hälfte der bestellten Ware im Voraus zu bezählen ist. Dumm ist nur, dass mir die Waren n, bevor ich sie ausliefern kann.
Grossen Wert lege ich selbstverständlich auch darauf, dass meine Korrespondenz, Offerten, Empfehlungen, Visitenkarten immer sauber aussehen. Gerne verwende ich dazu meinen teuren PC -natürlich von der neuesten Generation (ich habe nun schon mein 17. Exemplar!). Es ist toll, immer über die aktuellste Hard-- und Software zu verfügen. So bleibt man up to date. Lediglich einmal musste ich ein Gerät beinahe bezahlen, weil der Typ vom Verkauf doch tatsächlich Bargeld wollte. Ich konnte ihn dann aber mit einem Check beruhigen - immer wieder eine gute Notlösung. Noch nie war ein von mir ausgestellter Check gedeckt. Und darauf bin ich irgendwie richtig stolz.
Einmal aber hat mich ein Gläubiger deswegen eingeklagt. Ich wurde rechtskräftig zu einer bedingten Gefängnisstrafe verurteilt. Für die Kosten des Strafverfahrens, die der Gläubiger vorzuschiessen hatte, liess ich natürlich einen Verlustschein ausstellen. Der Gläubiger fragt sich noch heute, was ihm das Ganze ausser Kosten gebracht hat. Recht so! Das hält andere davon ab, ebenso mit mir zu verfahren. Eigenartigerweise hat mich die bedingte Strafe überhaupt nie benachteiligt. Da ich eh nicht daran denke, jemals als Angestellter einer geregelten Arbeit nachzugehen, werde ich auch nie einen Strafregisterauszug benötigen. Und um Firmen zu gründen, braucht es glücklicherweise keinen sauberen Leumund. Für die wirklich grossen Anschaffungen greife ich auf einen alten, aber sehr bewährten Trick zurück: Ich bestelle erst kleinere Sachen und bezahle diese pünktlich. Dann kommt meine Bestellung für die „richtige“ Ware. MUSS ich Ihnen noch erzählen, ob ich diese dann bezahle oder nicht?
Ideale und immer wieder willkommene Opfer sind Firmen von Jungunternehmern. Die wollen anfangs immer nur so viel Umsatz wie möglich machen. Der Kreditschutz ist erst ab dem 3. Firmenjahr vorgesehen. Für den Umsatz bin ich dann jeweils gerne behilflich. Und für das Lehrgeld selbstverständlich auch.
Kürzlich hat ein sehr aufsässiger Gläubiger doch noch meine richtige Adresse rausgefunden. Da mich dies sehr störte und ich mit meinen Mieten eh schon ein paar Monate in Verzug war, nutzte ich die Gelegenheit gleich für einen Wohnsitzwechsel. Um den störrischen Gläubiger und allfällige weitere „Kunden“ loszuwerden, habe ich mich - wie immer - bei der alten Gemeinde nicht abgemeldet. Will jetzt jemand dort nach meinem Aufenthaltsort nachfragen, so heisst es auf dem Formular „Abgereist ohne Adressangabe“.
Am neuen Ort kann ich wählen, ob ich mich anmelden soll oder nicht. Dank meinem praktischen Namen kann so oder so niemand einen Zusammenhang mit dem alten Ort herstellen. Und mein Geburtsdatum, das im dümmsten Fall meine wahre Identität verraten könnte, gibt die Gemeinde an Dritte nicht bekannt. Gute Gemeinde - dem Datenschutz sei Dank! Leider gibt es Gemeinden, die im Datenschutz noch nicht so fortschrittlich sind. Dort lasse ich meine Personendaten aber einfach sperren.
Melde ich mich an, dann muss ich Steuern bezahlen. MUSS? Sollte! Da ich ja nichts verdiene, sondern alles meiner Frau gehört, sind Steuern nun wirklich das Allerletzte, was ich bezahlen würde. Zu meiner Beruhigung kommen die meisten Betreibungsbeamten bei Pfändungen nicht mehr nach Hause. Früher musste ich jeweils die kostbarsten Bilder kurzfristig meinem besten Kumpel überlassen. Für die Umzugsaktionen war aber immer genügend Zeit. Das Betreibungsamt kündigte Pfändungen immer frühzeitig und vorbildlich an. Wenn ich dann mal nicht anzutreffen war - und das kam schon ab und zu vor (schliesslich habe auch ich Ferien nötig) - so erhielt ich freundlicherweise immer noch weitere Aufforderungen, zum Schluss sogar von der Polizei! Wie nett! Ausser ein paar unerheblichen Strafanzeigen hatte auch das für mich nie Konsequenzen.
Nun denn, es gäbe noch viel zu berichten, aber die Arbeit ruft... Lassen Sie mich aber noch ein Letztes sagen: Die Leute von Creditreform, die machen mir das Leben schon schwer. Wenn das so weitergeht, habe ich irgendwann doch einmal die Nase voll und hänge meine Karriere an den Nagel.
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